Das Jahr 2022 bietet eine ganze Reihe an neuen Herausforderungen und Chancen für die IT- und Recruitment-Branche: Wie kann die Start-up-Strategie der neuen Bundesregierung den digitalen Wandel fördern? Ist der Ukraine-Konflikt ein kurzfristiges Mittel gegen den steigenden Fachkräftemangel im IT-Sektor? Und wie wirken sich die Themen Innovation, digitale Sicherheit und die europäische Datenschutzverordnung auf Recruitment-Softwarelösungen und die Branche im Allgemeinen aus?
Staatliche Förderungen für den digitalen Wandel
Die Start-up-Strategie der Bundesregierung setzt auf digitalen Wandel. Die neue Regierung um Kanzler Olaf Scholz hat sich zum Ziel gesetzt, Start-ups mit Schlüsseltechnologien zu fördern und Deutschland zum vielversprechenden Gründungsstandort auszubauen. Hierbei werden Start-ups mit einer Vielzahl von Fonds unterstützt, um ihre Vision in die Tat umzusetzen.
Dies hat Auswirkungen auf die Recruitment-Branche und die damit verbundene Softwareentwicklung. Rekrutierungsunternehmen nutzen die digitale Transformation vornehmlich, um mit KI-gestützten digitalen Tools und Automatisierungslösungen den Rekrutierungs- bzw. Vermittlungsprozess weiter zu optimieren.
Dies ist auch dringend erforderlich. Selbst im Jahre 2022 nutzen weniger als die Hälfte aller Rekrutierungsunternehmen Automatisierungslösungen, wenn es um die Akquise neuer Bewerber gilt. Dabei gehört die Bewerberakquise zu den wichtigsten Zielen der meisten Unternehmen. Hier gibt es noch viel Spielraum, um die Effizienz und Qualität des gesamten Recruiting-Zyklus zu verbessern. Die Zeit wird zeigen, inwieweit sich Deutschland mit staatlicher Unterstützung zu einer Recruiting-Hochburg wandeln kann.
Quelle: FinancesOnline
Ein neuer Fokus auf die Bewerberakquise
Laut neuestem Bericht im Handelsblatt „Fachkräftelücke in den IT-Berufen so groß wie nie“ weist der Branchenverband Bitkom daraufhin, dass es zu Jahresbeginn 96.000 offenen Stellen für IT-Fachkräfte gab, von denen viele derzeit nicht besetzt werden können. Sollte dieser Trend anhalten, erwartet die Boston Consulting Group in ihrem „Future of Job“-Report, dass der Fachkräftemangel im IT-Sektor im Jahr 2030 auf rund 1,1 Millionen anwachsen wird.
Auch wenn die staatlichen Förderungsprogramme sicherlich begrüßenswert sind, herrscht weiterhin ein immenser Fachkräftemangel im IT-Sektor, sodass Rekrutierungsfirmen der DACH-Region die Bewerberakquise zur wichtigsten Priorität erklären, gefolgt von digitaler Transformation. Weiterhin bedeutet der Fachkräftemangel, dass der Rekrutierungsprozess im Ausland, falls noch nicht erfolgt, ausgebaut werden muss.
Brain Gain durch Ukraine-Konflikt
Die Zahl der offenen Stellen für IT-Spezialisten war im Jahre 2019 alleine in Deutschland erstmals über die 100.000-Stellen-Marke gestiegen, was einen historischen Höchststand darstellte. Der ansteigende Fachkräftemangel könnte durch den derzeitigen Ukraine-Konflikt zumindest temporär gesenkt werden.
Denn seit Beginn des Krieges wurden alleine zwischen dem 24. Februar und dem 5. April 2022 rund 310.000 Einreisen von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in die Europäische Union dokumentiert. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wie viele Flüchtlinge sich hiervon in Teilen der DACH-Region ansiedeln, da sich Ukrainer in den EU-Mitgliedstaaten des Schengen-Raums frei bewegen können und nicht systematisch registriert werden.
Dies könnte dem Mangel an IT-Fachkräften zumindest teilweise die nötige Abhilfe verschaffen. Denn die Ukraine, trotz der relativ kleinen Bevölkerungsanzahl von rund 43 Millionen Einwohnern, hat in puncto IT-Fachkräfte einen Vorsprung im Vergleich zu vielen anderen europäischen Staaten. In einigen Bereichen ist die Ukraine zahlenmäßig selbst den USA voraus.
Beispielsweise befinden 9.000 PHP-Programmierer in der Ukraine, während es in den USA nur 7.000 gibt – bei einer knapp achtmal größeren Bevölkerung. Aber auch bei anderen Programmiersprachen und Frameworks belegt die Ukraine Spitzenpositionen. In puncto JavaScript, Python, Ruby on Rails und PHP verfügt die Ukraine über weitaus mehr qualifizierte Fachkräfte verglichen mit Deutschland, Großbritannien oder den Niederlanden.
Quelle: Daxx.com
Neue Tech-Stacks
Programmiersprachen sind stetig im Wandel. Neue Sprachen und Frameworks wie React, Go, Kotlin, Julia und Python nehmen schnell an Bedeutung zu, während sich jüngere Entwickler immer weniger für Legacy-Codes interessieren. Dies hat auch enorme Auswirkungen auf die Recruiting-Branche. Wenn ein Unternehmen auf veraltete Frameworks und Sprachen setzt, wird sich der Rekrutierungsprozess auf Dauer erschweren.
Dies kann gerade jungen Unternehmen einen Vorteil verschaffen. Denn jüngere Unternehmen sind eher dazu bereit, neueste Sprachen und Frameworks zu nutzen, während alteingesessene Unternehmen immer noch auf Java und Co. zurückgreifen. Dies ist sowohl für Recruiter als auch für Unternehmen interessant, die sich auf die Entwicklung von Recruitment-Softwarelösung spezialisiert haben.
Digitale Sicherheit
Datenschutzverletzungen, Hacks und Online-Betrug sind weiterhin auf dem Vormarsch. Laut BSI-Lagebericht 2021 wird die Bedrohungslage als angespannt bis kritisch eingeschätzt. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Situation in Deutschland noch ein wenig komplizierter.
Denn hierzulande setzen Datenschutzanforderungen Unternehmen unter ständigen Druck. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) werden die Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten EU-weit vereinheitlicht. Jedoch beklagen 89 % von 500 befragten Unternehmen, dass diese Verordnungen nicht vollständig umsetzbar sind.
Beispielsweise muss für jede Datennutzung eine Einwilligungserklärung eingeholt werden oder es muss dokumentiert werden, wie personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die strengen Vorschriften sind insbesondere für kleinere Unternehmen schwer durchzuführen, was unter Umständen die Innovationsfähigkeit beeinträchtigt.
Aus diesen Gründen haben die Eindämmung von Datenschutzverletzungen und der Schutz interner Daten weiterhin die höchste Priorität, was Sicherheitssoftware zu einem sehr wertvollen Wachstumssegment macht. Daneben müssen sich Softwareentwickler verstärkt über den Sicherheitsaspekt Gedanken machen.
Hierbei geht es nicht nur um technische Sicherheit, sondern auch um Verhalten und Prozesse der Anwender. Auch wenn der Human-Error nicht vollständig von einer Softwarelösung beseitigt werden kann, sollte die Software dennoch dementsprechend erstellt werden, um allen Datenschutzanforderungen innerhalb der EU gerecht zu werden und gleichzeitig die Angriffsfläche für Hacker so gut es geht zu minimieren.
Fazit: Chancen und Herausforderungen für die Recruitment-Softwareentwicklung
Die Recruitment-Branche bleibt auch weiterhin im Wandel. Während die Pandemie den Fokus auf Fernarbeit und Home-Office-Rekrutierung gelegt hat, gilt es im Jahre 2022 vornehmlich darum, den Rekrutierungsprozess in Zeiten des Fachkräftemangels zu optimieren.
Entwickler, die sich auf Recruitment-Software spezialisieren, haben hierbei eine Vielzahl von Richtlinien zu beachten: Neben dem Thema digitale Sicherheit, das in Zukunft auch weiterhin eine große Rolle spielen wird, müssen Softwareentwickler ebenfalls alle Richtlinien der DSGVO einhalten und gleichzeitig Automatisierungslösungen entwickeln, die dem erhöhten Konkurrenzdruck auf dem eng umkämpften Markt für IT-Fachkräfte gerecht wird.
Gleichzeitig ist aber auch mehr Flexibilität von Unternehmern gefragt, wenn es um die Einstellung neuer Talente geht. Beispielsweise müssen Unternehmen den Rekrutierungsprozess in englischer Sprache durchführen, um internationale Fachkräfte anzulocken. Daneben müssen Unternehmen mit der Zeit gehen und die neuesten Tech-Stacks nutzen.
Sollte dieses Umdenken stattfinden, ist stark davon auszugehen, dass auch die Nachfrage an Softwarelösungen für den Rekrutierungsprozess weiterhin zunehmen wird, um Unternehmen jeder Größe in jedem Schritt des immer komplexer werdenden Recruiting-Zyklus zu unterstützen.